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Abstract

Martha Zan
Die Einflüsse des Italo-Westerns auf Jean Girauds Western-Comic "Blueberry"

"Als ich mir "Für eine Handvoll Dollar" anschaute, saß ich wie versteinert im Kinosessel, außerstande, mich zu rühren. Dieser Film hat jeden erschüttert." Zu dem Zeitpunkt, als Jean Giraud 1964 den ersten Sergio-Leone-Western sah, ritt auch sein Leutnant Blueberry zum ersten Mal durch die Panels der Jugend-Comic-Zeitschrift Pilote. Gemeinsam mit Szenarist Jean-Michel Charlier entstand eine der erfolgreichsten französischen Western-Comic-Serien. 2007 kam mit "Apaches" das 29. "Blueberry"-Album auf den Markt. Aus dem Grünschnabel mit Jean Paul Belmondo-Zügen des ersten Albums "Fort Navajo" ist ein abgebrühter Pokerspieler mit grauen Schläfen geworden.

Blueberry ist einer der ersten und wenigen Comichelden, der altert und sich verändert. Nicht nur die Figur, sondern auch Jean Girauds Zeichnungen durchwandern ästhetische Metamorphosen. Mit jedem neuen Zyklus, oft auch innerhalb eines Panels oder gar einer Figur ändert sich sein Zeichenstil. Diese Veränderungen wurden von vielen Seiten geprägt: von Girauds Lehrer Jijé, von Girauds alter Ego Moebius, von Hollywood und eben auch von den "erschütternden" Bildern Sergio Leones.

Die Arbeit wird an markanten Beispielen zeigen, wie Girauds Zeichnungen sich vom Bilderkanon Hollywoods lösen und den Stil der Spaghetti-Western aufnehmen. Dabei interessieren mich vor allem die Darstellungen der Gewalt mit Folter und Tod, und die Inszenierung der Duelle und Schussszenen. Auch die Schauplätze der Gewalt zeigen Parallelen zum Italo-Western: verlassene Geisterstädte, Friedhöfe, die Wüste oder gespenstische Höhlen. Sergio Leone hatte für "Per un pugno di dollari" nur ein mageres Budget zur Verfügung und konzentrierte sich auf Kamera-Effekte, ganz besonders auf die Nahaufnahmen seiner Darsteller - Gesichter werden inszeniert wie Landschaftsaufnahmen. Auch Giraud verabschiedet sich von den glattrasierten Marshalls und Cowboys der Hollywood-Streifen. Gangster-Visagen, zerfurchte Indianergesichter und eiskalte Killer schauen aus den Panelrahmen.

Als mit "The Great Train Robbery" 1906 der erste fiktionale Spielfilm gezeigt wurde, begann der Film (dem Roman folgend), den Wilden Westen zur Legende zu mystifizieren. Die Panels der Western-Comics nahmen die Bilderwelt des Kinos auf. Die völlig neue Bildästhetik der italienischen Western hatte nicht nur Einfluss auf die amerikanische Filmproduktion, sondern auch auf das Medium Comic. Am Beispiel von Girauds "Blueberry" wird die transmediale Berührung zwischen der filmischen Bildsprache und dem sequenziellem Erzählen untersucht.


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