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Abstract

Mareike Späth
Katuni - Comics in Tansania

Die Ethnologie als kulturwissenschaftliche Disziplin stellt den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung und erforscht von ihm als Wissensquelle ausgehend Aspekte von Kultur und Gesellschaft. Dazu gehören schon lange auch Themen populärer Kultur, wie zum Beispiel Comics.

Tansania hat seit der Unabhängigkeit 1961 und insbesondere seit der Einführung der Pressefreiheit und des Mehrparteiensystems 1992 eine vielfältige Comiclandschaft, die sich besonders dadurch auszeichnet, dass tansanische Zeichner Comics im lokalen Kontext schaffen. Sie beziehen sich in Gestaltung der Charaktere, Themenwahl sowie Bild- und Textsprache auf die Lebenswelt der Tansanier.

Vor diesem Hintergrund verbrachte ich im Winter 2006/2007 einen sechsmonatigen Aufenthalt in Tansania, während dem ich diese lokalen Comics, katuni genannt, erforschte. Dabei bediente ich mich der klassischen ethnologischen Methode der qualitativen Feldforschung, insbesondere teilnehmender Beobachtung und Interviews. Ich führte Gespräche mit Menschen, die an unterschiedlichen Stellen mit Katuni in Berührung kommen: Zeichner, Herausgeber, Produzenten und Verkäufer von Zeitschriften und Zeitungen sowie Leser. Ich begleitete die Produktion, Distribution und Rezeption von Katuni. So erhielt ich Einblick in die zahlreichen Aspekte der Comic-Welt Tansanias. Es galt herauszufinden, wer an den Produktions-, Distributions- und Rezeptionsprozessen der Comic-Welt beteiligt ist und welchen Einfluss die einzelnen Handlungsabschnitte und Entscheidungen auf das fertige Produkt haben.

In meiner Magisterarbeit, die ich derzeit bei Prof. Dr. Matthias Krings verfasse, stelle ich anhand der erhobenen Daten dar, durch welche Prozesse in der Comic-Welt Tansanias Katuni entstehen und wie es dazu kommt, dass durch eine wechselseitige Identifikation zwischen Zeichner, Comicfigur und Leser der Katuni zum kulturellen Kommunikationsmedium wird. Katuni sind gleichzeitig Spiegel der Gesellschaft und Möglichkeit zur Verhandlung von Konventionen und zur Neuorientierung. Sie wirken als Sprachrohr und regen gleichzeitig Diskussion und Meinungsbildung an. Geht man den verschiedenen Faktoren nach, die auf Katuni einwirken, so wird deutlich, dass in der Kommunikation durch und über Katuni sowohl Reproduktion als auch Verhandlung und Veränderung sozialer und kultureller Lebenswelt stattfinden. Das Thema wird voraussichtlich im Rahmen eines Promotionsprojekts zu einem innerafrikanischen Vergleich ausgebaut werden.

Anhand ausgewählter Beispiele möchte ich von dieser handlungsorientierten Analyse der Menschen und ihres Umgangs mit Comics berichten. Schließlich hoffe ich zeigen zu können, warum Comics nützlich für die Ethnologie sind und die Ethnologie gleichzeitig interessant für die Comicforschung ist.


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